Max G. Bollag
Max G. Bollag und seine Zwillingsschwester Mary, die ersten Kinder
von Léon und Betty Bollag-Moos, wurden am 6. Dezember 1913
geboren. Die vier Geschwister Mary, Max, Suzanne und Amélie
wachsen in Zürich auf und gehen hier zur Schule.
Die erste selbständige Unternehmung von Max G. Bollag im Kunsthandel
geht auf das Jahr 1935 zurück: Sein Vater schickt den 23-jährigen
Max mit Chauffeur und Bildern auf die Reise zu seinen Kunden im Aargau
und Bernbiet.
Anfang 1936 fährt er zu seinem Onkel Gustave Bollag nach London
und ersteht mit seinen bescheidenen Ersparnissen von 60 Pfund seine
ersten Bilder. Er verkauft sie schneller als erwartet und ist 1937
wieder in London, um den Erlös wiederum in Bilder umzuwandeln.
An der Wühre, im Zunfthaus zur Meise, ist ein kleiner Laden frei,
der nach einem kurzen Intermezzo an der Rämistrasse seine zweite
Galerie in Zürich wird.
1940 zieht Max G. Bollag nach Lausanne, findet einen schönen,
grossen Raum an der Rue Etraz 5 und eröffnet die Galerie Bollag
Lausanne. Nebst Ausstellungen mit Schweizer Künstlern wie Amiet,
Auberjonois, den Brüdern Barraud, Füssli, Giacometti und
Hodler sowie frühen Werken von Pablo Picasso führt er zweitägige
Auktionen durch.
1946 kehrt er nach Zürich zurück und findet an der Storchengasse
9 ein schönes, nicht sehr grosses Lokal, wo er neben anderen
bekannten Künstlern auch Werke von Picasso, Klee und Kandinsky
zeigt.
Auktionen konnte man damals nur mit Hausiererpatent und maximal zweimal
jährlich durchführen. Seine Auktionen finden zuerst im Zunfthaus
zur Meise, dann im Kongresshaus statt. 1950 gründet er die Schweizerische
Gesellschaft der Freunde von Kunstauktionen, Mitgliederbeitrag Fr.
5.-/Jahr. So können in geschlossener Gesellschaft Auktionen in
der Galerie durchgeführt werden. Von 1950 bis 1994 kommen alle
zwei Monate Bilder unter den Hammer. Die Auktionen werden zu einer
Art Institution, nicht zuletzt durch den Witz und Charme des Auktionators,
der sich nicht scheut, allzu Zaghafte freundschaftlich, aber explizit
aufzurütteln.
Max G. Bollag heiratet 1949 Susi Aeppli, Tochter von Ernst Aeppli
(>)und
Gertrud Zschokke. Sie haben vier Kinder, Arlette, David, Guy und Noemi,
die sich heute noch an lebhafte Abende mit Gästen jeder Herkunft
und sozialer Position erinnern. Alle möglichen Sprachen werden
gesprochen, die spontanen Einladungen stehen meist unter dem Motto
«'s git, was es hät».
In seine Galerie an der Storchengasse, später an der Oberdorfstrasse,
am Predigerplatz, am Hottingerplatz und schliesslich seit 1963 an
der Werdmühlestrasse 5 kommen die verschiedensten Menschen: Jugendliche,
Sammler, Künstler, Bohémiens jeder Couleur, Würdenträger,
Besucher von der Strasse. Sie alle werden geduzt und sind gleichermassen
willkommen. Mit Frauen flirtet er charmant und gern. Lebensgeschichten
werden angehört und das grosse Wissen über Kunst grosszügig
geteilt. Seine Toleranz hört da auf, wo er den Eindruck gewinnt,
Menschen übernähmen zu wenig Verantwortung für sich
selbst, ihre Mitmenschen, ihre Kunst und ihr Leben.
Max G. Bollag handelt nicht nur mit bedeutenden und bereits bekannten
Künstlern, sondern fördert auch junge Künstler, die
ihn überzeugen. Darunter sind, um nur einige wenige zu nennen,
Karl Jacob Wegmann, Alex Sadkowsky, Dan Rubinstein, Walter Steffen,
Walter Wegmüller, Bert Schmidmeister, Hansruedi Imhof, Soshana,
Jacques Fuchs, Jean-Claude Stehli.
Sein Credo, dass wunderbare Kunst auf keinen Fall als Investitionsobjekt
im Safe verkümmern darf, sondern für alle sichtbar bleiben
sollte, führte leider zu spektakulären Diebstählen.
Heute sind die wertvollsten Werke aus Sicherheitsgründen ausgelagert.
Wir bedauern das.
Mit den Jahren erinnerte die Galerie Bollag immer mehr an eine klassische
Pariser Galerie der Zwanzigerjahre. Auf Tischen und in Regalen türmten
sich Kataloge und Kunstbücher. An Wänden und Stellwänden
Bilder, wohin das Auge reichte – alles in allem ein Paradies
für Kunstinteressierte und Sammler auf der Suche nach Trouvaillen.
Für Besucher, die an «eine Wand, ein Bild» gewöhnt
sind, war es das reine Chaos, für Max G. Bollag hingegen ein
offenes Buch. Es ist legendär, wie er mit zwei Fingern aus Bergen
offener Papiere dasjenige herausfischen konnte, das er gerade suchte.
Mit 85 Jahren hatte sich Max G. Bollag 1998 von seiner Arbeit in der Galerie Bollag zurückgezogen. Er genoss seine Ruhe zuhause mit seiner Frau und den beiden Katzen, besuchte uns aber regelmässig jeden Donnerstag in der Galerie, eine Art Audienztag für seine liebsten Freunde und Kunden.
Er ist am 13. September 2005 im hohen Alter von 91 Jahren sanft für immer eingeschlafen, nur acht Tage nach dem Tod seiner Frau Susi. Sie ruhen in Frieden.
Jeden Tag kommen Menschen in die Galerie, die ihn vermissen und sich an alte Zeiten erinnern. Sie freuen sich aber, dass die Tradition der Galerie Bollag im modernen, grosszügig umgebauten Raum weitergeführt wird.
Max G. Bollag und seine Form von Kunsthandel kann man nicht ersetzen.
Die Galerie wurde unter dem Namen Bollag Galleries bis Ende 2012 weitergeführt, hat dann aber alle ihre Aktivitäten eingestellt.